Segen und segnen

I.

Liebe Brüder und Schwestern!

Wenn ich Ihnen hier für einen kurzen, besinnlichen Einkehrtag die Vorträge halten darf, so tu ich es aus mehrfachem Grund gern:

1. Weil ich mich selber der schönen, segensreichen Gemeinschaft des Marianischen Segenskreises angeschlossen habe und voll und ganz seine Zielsetzung bejahe; dann

2. weil sich hier in Altötting, an diesem gnadenreichen Marienwallfahrtsort Papst Johannes Paul II. bei seiner Pilgerfahrt durch Deutschland zuletzt im besten Sinn des Wortes gemäß seines Wahlspruches „Totus Tuus“ als geistiges Mitglied des Marianischen Segenskreises erwiesen hat: Sein Besuch hier in Altötting vor nicht ganz einem Jahr war ein Segen wie er insgesamt für die ganze Kirche ein Segen ist.

Darf ich nun, bevor ich Ihnen in meinen drei Vorträgen biblische Gedanken über das Segnen zur Kenntnis bringe, einleitend zuerst an die guten Formulierungen erinnern, in denen uns gesagt wird, was der MSK will:

1. Er will zu einem gottinnigen Leben anhalten, damit viele zum Segen für andere werden.

2. Er will dazu beitragen, dass Priester und Laien sich ihrer Segensvollmacht bewusst werden.

3. Er will alles tun, damit möglichst viele Katholiken in Christus zu Segnenden werden.

4. Er will überall hin den Segen des Herrn tragen und dadurch die Welt zu einer Welt Gottes machen.

5. Er will – unter der geistigen Mutterschaft und Führung der seligsten Jungfrau Maria – eine Gemeinschaft der Segnenden sein.

6. Er will – gemäß den vielen Mahnungen der Hl. Schrift – den Kampf gegen die bösen geistigen Mächte bewusst aufnehmen durch das Beten des kleinen Exorzismus.

So soll dem Fluchen und Verfluchen der Segen und das Segnen entgegengesetzt werden, der Maledictio die Benedictio durch jene, von der es im Engelsgruß des Ave Maria heißt, dass sie selbst die „Benedicta in mulieribus“ die Gebenedeite (die Gesegnete) unter den Frauen ist, weil aus ihr der „benedictus fructus ventris sui“, die gebenedeite Frucht ihres Leibes hervorging: Jesus, in welchem alle Völker und Menschen der Erde gesegnet sind, nachdem er sich im freiwilligen Sühnetod am Kreuz zum „Maledictum“, zum Fluch gemacht hatte, um von uns den Fluch der Sünde, der ewigen Verdammnis und der Knechtschaft des Teufels hinwegzunehmen.

Erinnern wir uns jetzt zuerst noch daran, was „Segen“ und „Segnen“ eigentlich bedeutet:

Zuerst vom Wortsinn her: Im griechischen Wort „eulogein“, im Lateinischen „Benedicere“ heißt „Segen“ und Segnen“ zunächst einmal: über jemanden etwas Gutes sagen, jemandem Gutes zusagen – und zwar im Namen dessen, der das gute diesem Menschen und allen Menschen geben kann, also im Namen Gottes und im Namen dessen, der uns Menschen das Heil, das wir durch die Sünde verscherzt hatten, wieder verdient hat, Jesus Christus.

Die Hl. Schrift versteht darum unter Segen die Zuwendung von Heilsgütern an die Menschen, sei es durch Gott selbst oder durch die in der macht oder im Auftrag Gottes handelnden Menschen.

Gott selbst erteilt den Segen. So heißt es gleich am Anfang der Genesis (Gen 1,28): „Gott segnete sie (die ersten Menschen) und sprach zu ihnen: „Seid fruchtbar und mehret euch und erfüllet die Erde und macht sie euch untertan!““ Hier sagt Gott also im Segen den ersten Menschen Fruchtbarkeit zu und übergibt ihnen die Erde, um sie zu bewohnen und segenbringend zu gestalten.

Im Auftrag Gottes und in seinem Namen segnen dann beispielsweise die alttestamentlichen Patriarachen ihre Söhne und Nachkommen. So segnet in Gen 27,27f der Patriarch Isaak seinen Sohn Jakob, nachdem dieser ihm das gewünschte Wildbretmahl zubereitet hatte: „Siehe, der Duft meines Sohnes ist wie der Duft eines fruchtbaren Feldes, da Jahwe gesegnet hat. Es gebe dir Gott vom Tau des Himmels und vom Fett der Erde und Korn und Most in Fülle...“ (Gen 27,27f).

Eine der schönsten Schriftstellen über „Segen und „Segnen“ haben wir im 1. Buch Mose, Gen 12,2-3 vor uns. Über diese Stelle möchte ich nun mit Ihnen, liebe Brüder und Schwestern im MSK, ein wenig meditieren.

Da spricht Gott zu Abram (Abraham): „Ich will dich zu einem großen Volk machen. Ich will dich segnen und deinen Namen groß machen, und du sollst ein Segen sein. Ich werde segnen, die dich segnen, und werde verfluchen, die dich verfluchen.“

Um diese Worte Gottes zum Patriarchen Abraham zu verstehen, müssen wir zuerst über die gnadenhaften messianischen Verheißungen Gottes, die in Abraham beginnen und über diesen Patriarchen und seine Herkunft ein wenig nachdenken:

Gottes Wortoffenbarung beginnt beim Patriarchen Abraham als gnädige Verheißung. Der Verheißung entspricht auf Seiten des Menschen nicht etwa die Einsicht und Erkenntnis, dass das, was Gott da verheißt, so und so zu verstehen ist, sondern der Verheißung vonseiten Gottes entspricht auf Seiten des Menschen der Glaube und der Gehorsam: Ich glaube, dass das, was Gott mir verheißt, in Erfüllung gehen wird, weil Gott treu ist und zu seiner Verheißung, zu dem von ihm gegebenen Wort steht und auch die Macht hat, das zu erfüllen, was er verheißt. Abraham wird bezeichnenderweise in der Hl. Schrift als Vater des Glaubens charakterisiert (vgl. Röm 4,16).

Abram – so lautete der ursprüngliche Name dieses Patriarchen – wohnte in Ur in Chaldäa, inmitten einer heidnischen Umgebung, die von hoher Kultur und Religiosität gegenüber einer Vielzahl von Göttern durchdrungen war. Gott rief nun Abram. Abram verließ sein Land, seine Heimat, seine Familie, seine bisherige Umgebung und zog in eine ihm unbekannte Fremde. Diese Entscheidung, dieser Entschluss eines Menschen ist – und darin besteht das Eigenartige – nicht „natürlich“ zu verstehen, dieses Ereignis ist vielmehr von Gott, von seinem Willen, von seinem Ruf, von seinem Wort, von seiner Führung hervorgerufen und bewirkt. Leben und Tun, Weg und Schicksal Abrams stehen im Zeichen des glaubenden Gehorsams gegenüber einer Weisung und Führung, die nicht von ihm selbst ausgeht, sondern die über ihn verfügt und ihn führt, wohin er an sich nicht will. Dieses Ereignis steht im Zeichen einer Macht, die in Abram wirksam ist und die Abram anerkennt in den Fügungen seines Lebens, die keine bloßen Fakten sind, sondern Begebenheiten, in denen Gott etwas will, in welchen Gott handelt, in denen Gott sich zeigt, sich offenbart – und in denen Abram seinen Glauben als Gehorsam, als Vertrauen und Hingabe an den sich ihm offenbarenden, ihm Verheißungen machenden und ihn segnenden Gott realisiert.

In einem Negro-Spiritual fand ich das großartig ausgesprochen:

„Fort aus Ur in Chaldäa

Verlassen alles

Lassen alles,

ALLES.

Sich lösen von allem

Fort ohne Bindung

Zerreißen die Band

ALLEIN.

Fort aus Ur in Chaldäa

auf Gottes Befehl auf Gottes Stimme:

‚Geh, lass alles und geh...‘.

Fort aus Ur in Chaldäa

mit Gott als Bürgen

zum Land der Fülle

zum Land der Freude

zur Nachkommenschaft

zahllos wie Sand am Gestande

unzählbar wie Sterne am Himmel

HIN ZU GOTT. Fort aus Ur in Chaldäa.“

In der Hl. Schrift wird nun diese im zitierten Negro-Spiritual in dichterischer Form geschilderte Situation so beschrieben:

„Eines Tages sprach Gott zu Abram: Verlass dein Haus, deine Verwandtschaft und dien Vaterhaus und zieh in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich will segnen, die dich segnen und will verfluchen, die dir fluchen. In dir sollen gesegnet sein alle Geschlechter der Erde. So zog Abram fort, wie ihm der Herr befohlen hatte...“ (Gen 12,3-4).

Dieser Gehorsam Abrams war sein Glaube, sein Glaube war dieser gehorsam.

Darum gilt ihm das hohe Lob im Hebr. 11,8f: „Im Glauben folgte Abraham dem Ruf Gottes, in ein Land zu ziehen, das er zum Erbe erhalten sollte. Er zog aus, ohne zu wissen, wohin er kommen werde. Im Glauben ließ er sich im Land der Verheißung nieder wie in einer Fremde und wohnte in Zelten.“

Abrahams Weg und Schicksal, Abrahams Geschichte ist nach dem Zeugnis der Hl. Schrift nur theologisch, d.h. nur als Offenbarung zu deuten, und diese ist dabei als geschichtliches Heilshandeln und als gnädige Führung Gottes zu bestimmen. Diesem gnadenhaften Offenbarungshandeln Gottes – das ist der zugesagte Segen Gottes – entsprechen auf Seiten des Menschen Gehorsam und Glaube, in denen sich die Offenbarung vollendet. Die Beziehung von Offenbarung und Glaube, von verheißenem Segen und Vertrauen in dessen sicherer Auswirkung in der Erfüllung der Verheißung wird in der Abrahamsgeschichte dadurch ganz besonders zur Sprache gebracht, dass Offenbarung und Glaube im Zeichen des verheißenen Segens für eine vom Menschen selbst nicht errechenbaren Zukunft stehen und dass sie nicht nur mit dem Unbekannten, sondern mit dem Unwahrscheinlichen, ja mit dem Paradoxen verbunden sind. So erweist sich der Glaube an den von Gott verheißenen Segen als ein ausschließliches Verwiesen-Sein auf Gott, als ein absolutes gründen des Menschen in Gott.

Gott verhieß Abraham Volk und Land und das in einem aus seinen Nachkommen alle Völker der Erde, alle Menschen gesegnet sein würden. Schon die Verheißung von Volk und Land widersprach damals ganz und gar und offenkundig allen damaligen Gegebenheiten: Entwurzelung Abrahams aus seiner bisherigen Familie und Heimat, Trennung von Stammland und Sippe. Wanderschaft ins Ungewisse. Das alles kann doch menschlich gesehen unmöglich der Weg zur Stammvaterschaft für ein großes Volk sein! Denn aller menschlichen Erfahrung nach hat eine aus ihrem Heimatboden herausgerissene Emigrantenfamilie kaum anderes zu gewärtigen, als über kurz oder lang im fremden Volk unterzugehen und aufgesaugt zu werden. Der Befehl Gottes widerspricht demnach – menschlich gesprochen – der Verheißung Gottes. Dennoch gehorchte Abraham und glaubte dem Ruf ins Unwahrscheinliche. Die Segensverheißung Gottes wurde überdies noch verstärkt höchst unwahrscheinlich durch die persönliche, schon sehr gering gewordene Lebenserwartung von Abraham und seiner Frau Sara (vgl. Gen 18,9-15).

Die Segensverheißung scheint dann überhaupt ganz unmöglich zu werden durch die Prüfung, in der von Gott die Hinopferung des ganz spät noch erlangten Sohnes der Verheißung, des Isaak gefordert wird: vgl. Gen 22: „Nimm deinen Sohn, deinen einzigen, den du liebhast, den Isaak, und geh‘ in das Land Morija und bringe ihn dort auf einem der Berge, den ich dir sagen werde, als Brandopfer dar!“

Gerade hier aber erfuhr der Glaube Abrahams seine höchste Bewährung in der Bereitschaft, sich Gott auch in der äußersten Situation nicht zu verweigern, sondern sich vielmehr Gott ganz anheimzugeben und gegen die scheinbare Vernichtung aller Hoffnung zu hoffen (vgl. Röm 4,18-22: „Abraham hat gegen alle Hoffnung geglaubt, dass er der Vater vieler Völker werde... Ohne im Glauben schwach zu werden, betrachtete er seinen schon erstorbenen Leib – er war ja schon nahezu hundert Jahre alt – und auch den erstorbenen Mutterschoß Saras. Er zweifelte nicht ungläubig an der Verheißung Gottes, sondern erwies sich stark im Glauben, indem er Gott die Ehre gab und vollkommen überzeugt war, dass der, der die Verheißung gab, auch die Macht hat, sie zu erfüllen.“ Gen 15,7) wurde auf eine harte Probe des Glaubens gestellt. Nur ein kleines Stück Land im Tale Mamre nannte schließlich Abram sein Eigen – und sogar dieses Stück Land war ständig umstritten und bedroht. Verständlicherweise fragte Abram deshalb: „Woran soll ich erkennen, dass ich das Land besitzen werde?“ (Gen 15,8). Aber Abram glaubt. Er glaubte an den verheißenen Segen, glaubte an Gottes Segensverheißung: „Ich will dich zu einem großen Volk machen. Ich will dich segnen und deinen Namen groß machen, und du sollst ein Segen sein. Ich werde segnen, die dich segnen und jene verfluchen, die dich verfluchen.“

„Ich will dich segnen ... und du sollst zum Segen werden“ in einem deiner Nachkommen, nämlich im Messias! Auch diesbezüglich hat herauf durch die Jahrhunderte alles gar nicht danach ausgesehen. Aber Abraham glaubte, glaubte an die Verheißung Gottes und wurde so wirklich zum Segen für Unzählige.

Im 2. Rundbrief des MSK las ich: „Im MSK legen wir viel Wert auf das Segnen. Noch wichtiger aber ist uns das „Zum-Segen-Werden“. Damit wir das immer mehr werden, muss auch bei uns – wie bei Abraham – die notwendige Voraussetzung der Glaube, der unerschütterliche Glaube an Gottes Verheißung stehen. Hinter Gottes Verheißung aber steht seine Treue, in der er zu seinem gegebenen Wort steht und hinter Gottes Treue steht seine Liebe, in der Gott denen, die ihn lieben, alles zum Besten gereichen lässt.

Machen wir es Abraham, dem Vater unseres Glaubens, nach!

Glauben und Vertrauen, unerschütterlich und fest: Gott steht zu seinen Verheißungen, im Glauben aber auch gehorchen dem Ruf Gottes, den Geboten Gottes, wie Abraham, und sich ergeben in den Willen Gottes und seine Schickungen und Fügungen, auch dort, wo sie rätselhaft undurchsichtig und unbegreiflich sind. So hat es Abraham sein Leben lang gehalten. Darum wurde er zum Segen für unzählige und darum wurden von Gott auch all jene gesegnet, die ihn segneten...

Zum wahrhaft Glaubenden und erst recht zum Getauften gehört: „Von Gott Segen empfangen, mit Gott Segen verbreiten, durch Gott Segen ausstrahlen“ (so steht es am Anfang des Bändchens mit den ersten 10 Rundbriefen des MSK)

II.

Liebe Brüder und Schwestern im MSK!

Von Abraham, der von Gott gesegnet wurde und der für Unzählige wegen seines Glaubensgehorsams zum Segen wurde, habe ich im 1. Vortrag gesprochen.

In einem seiner Nachkommen ist Abraham wirklich zum Segen für Unzählige geworden, nämlich im verheißenen Messias Jesus Christus, von dem es am Anfang des Mt Ev (Mt 1,1) ausdrücklich heißt, dass er „der Sohn Abrahams“ ist: „Abraham zeugte den Isaak, Isaak zeugte den Jakob, Jakob zeugte den Judas...“. der Stammbaum der „Abstammung Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams“ schließt dann nach dem zweifach 14mal wiederholten „zeugte“ mit dem Satz: „Jakob zeugte den Joseph, den Mann Marias, von der Jesus geboren wurde, der Christus genannt wird“.

Dieser Jesus Christus, der menschgewordene Sohn Gottes, der der verheißene Messias, der Heiland und Erlöser des Menschengeschlechtes ist, hat durch sein Sühnopfer und seine Erlösungstat am Kreuze den Fluch von den Menschen genommen und ist dadurch für uns Menschen zum Segen in Fülle geworden.

Darum schreibt der hl. Paulus im Gal 3,13f: „Christus hat uns von dem Fluch des Gesetzes losgekauft, indem er selbst für uns zum Fluch geworden ist; steht doch geschrieben: ‚Verflucht ist jeder, der am Holze hängt.‘ So sollte zu den Heiden der Segen Abrahams kommen in Christus Jesus, so sollten wir die Verheißung des Geistes durch den Glauben empfangen.“

Der hl. Petrus aber sagte in seiner Pfingstpredigt, wie sie uns in der Apg 3,25ff aufgezeichnet ist: „Ihr seid die Söhne der Propheten und des Bundes, den Gott mit euren Vätern geschlossen hat, als er zu Abraham sprach: ‚Und in deiner Nachkommenschaft werden alle Geschlechter der Erde gesegnet werden.‘ Für euch (Israeliten) zuerst hat Gott (Vater) seinen Knecht (und Sohn Jesus) auferweckt und gesandt, euch zu segnen dadurch, dass er jeden von euch zu seinen Übeltaten abwendet.“

Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene, ist also der Vermittler des dem Abraham verheißenen Segens des himmlischen Vaters, er ist, weil er selbst zuerst im Sühnopfer am Holz des Kreuzes zum Fluch geworden ist, Segen und Segenbringer geworden –zuerst für die Glieder des auserwählten Volkes, wenn sie im Glaubensgehorsam den Segen und den Segenbringer Jesus Christus annehmen, dann für die Heiden...

Schauen wir nun in diesem 2. Vortrag näher zu, wie es Jesus Christus, unser Herr und Heiland, mit dem Segnen gehalten hat und welcher Segen von seinem Segnen ausgegangen ist.

In der Apg 10,38 hießt es von unserem Herrn: „Pertransiit benefacienso“

Er ging Wohltaten spendend (Gutes tuend) durch die Lande. Der Evangelist Lukas hätte aber genauso gut von Jesus Christus schreiben können: Pertransiit benedicendo“ Er zog segnend durch die Lande.

Der betende Jesus hat sich für sein Beten nicht nur die Psalmen aus der großen Gebetsliteratur des alttestamentlichen Gottesvolkes zu eigen gemacht, er hat darüber hinaus sicher immer wieder mit eigenen Worten gebetet, wie uns ja in den Evangelien an mehreren Stellen ausdrücklich gesagt wird, wo uns kurze Gebete, Stoßgebete des Herrn aufgezeichnet sind. Man könnt auch diese der Reihe nach durchbesprechen und es würde sich dabei zeigen, wie Jesus darin fast immer an den Segen Gottes, an seine Notwendigkeit und an die Vorbedingungen denkt, auf dass Gott, der himmlische Vater, seinen Segen geben kann. Geht es denn im Gebet, das der Herr uns zu beten gelehrt hat, im Vater-unser mit seinen sieben Bitten, um anderes als um den Segen Gottes? Alles, was in den sieben Bitten des Vater-unser erfleht wird, muss erfüllt sein, damit wir wirklich von Gott Gesegnete sein können und der Segen Gottes, des himmlischen Vaters in Fülle auf uns niederströmen kann!

Letztlich geht es um das Gleiche, was der ev. Kirchenlied-Dichter H. Schenk (+1681) in seinem Lied „Nun Gott Lob, es ist vollbracht“ so schön formulierte, als er das ganze Menschenleben unter Gottes Segen stellte mit den Worten:

„Unseren Ausgang segne, Gott,

Unseren Eingang gleichermaßen,

Segne unser täglich Brot,

Segne unser Tun und Lassen!

Segne uns mit sel’gem Sterben

Und mach und zu Himmelserben!“

So könnte man noch an verschiedene andere Segenspsalmen erinnern, die Jesus auf dem Schoß seiner jungfräulichen Mutter zu beten gelernt hat und dann immer wieder gebetet haben wir, allein in den Gebetsnächten auf den einsamen Bergeshöhen oder zusammen mit seinen Aposteln.

Ich zitiere nur noch kurz (ohne Kommentar) drei besonders vielsagende Segenspsalmen:

Psalm 128 (127): „Selig, wer den Herrn fürchtet und wandelt auf seinen Wegen! Was die Hand dir erwarb, du darfst es genießen; leben wirst du in Glück und in Wohlergehen... Siehe, so wird der Mann gesegnet, der Gott fürchtet! Es segne dich Jahwe von Sion aus, auf dass du schauest Jerusalems Glück alle Tage des Lebens!"

Psalm 133 (132): „Seht, wie lieblich und gut es ist, wenn Brüder beisammen wohnen in Eintracht. Es ist wie köstliches Öl auf dem Haupte, das niederrinnt in den Bart, das niederrinnt in Aarons Bart, auf den Halssaum seines Gewandes. Es ist wie Tau auf dem Hermon, wie Tau, der niederfällt auf den Zion. Denn dort entbietet der Herr seinen Segen, Leben auf immerdar.“

Vom Psalm 145 (144) seien nur noch die als liturgisches Tischgebet bekannten Verse 15-16 zitiert: „Aller Augen schauen auf dich, o Herr, Du gibst ihnen Speise zur rechten Zeit. Du öffnest Deine Hand und erfüllest alles, was da lebt, mit Segen.“